Was ist Harmonik?

 

 

Die Harmonik, von der hier die Rede ist, geht auf Pythagoras (ca. 570 – 490 v.Chr.) zurück und wird deshalb auch „pythagoreische Harmonik" genannt.



Im 20. Jahrhundert hat Hans Kayser (1892 1964) sein ganzes Leben dieser Harmonik gewidmet. Mit Hans Kayser vereinigt "Der hörende Mensch" in sich die Fähigkeit zu eine ganzheitlichen Wahrnehmung, in der sich einerseits das durch Messen und Rechnen unterstützte, rationale Denken mit andererseits dem durch empfindende Anhörung (Akroasis) unterstützte Erleben verbindet. Seitdem meinen wir mit Harmonik eine systematische Verwendung von Entsprechungen zwischen einerseits dem Zählen und Denken zugänglichen Zahlen, und andererseits dem Hören und der Empfindung zugänglichen Tönen und Klänge.

 

Die Menschen versuchen jedoch schon seit Ur-Zeiten ihr Leben, die Natur und die Welt um sie herum, und was dahinter sein möge, zu verstehen und dann auch wiederzugeben und zu beschreiben. Schon in den ältesten überlieferten Zeugnissen dieses Bestrebens spielen dabei zwei Phänomene eine zentrale Rolle: der Klang und die Zahl. So wird berichtet, dass schon 2700 Jahre v. Chr. auf Befehl des chinesischen Kaisers Hoang-ti durch Lyng-lun die Rationen der „12 Lu“ mit 6 „Yang“- und 6 „Yin“- Tönen geschaffen wurden. Es entstand eine 12-stufige musikalische Tonleiter auf der Basis der chinesischen Weltprinzipien „Yang“ und „Yin“, auf denen alles Sein und Geschehen ruht.

Zahl und Ton bilden die Grundelemente auch aller anderen kosmogonisch-mythologischen Welt- und Lebensdeutungen aus der Frühzeit der menschlichen Kult- und Kulturgeschichte, etwa bei Laotse, in der altindischen Rigvada oder im ägyptischen „Totenbuch“ und schließlich auch im altjüdischen Denken und in den Bildern der mosaischen Genesis. Alle diese Zeugnisse sind, wenn man so will, vor- oder unterbewusste Ur-Spuren eines harmonikalen Denkens, das mit Pythagoras und seiner Schule zu einer ersten, frühen systematischen Interpretation und Beschreibung der Welt führte, in der bereits (rund 2000 Jahre vor Kopernikus) die Sonne im Mittelpunkt der Welt stand und viele andere naturwissenschaftliche Zusammenhänge, wie etwa der Blutkreislauf, erkannt wurden, die sehr viel später wieder neu entdeckt werden mussten. Die Methodik, deren sich die Pythagoreer bedienten, nennen wir heute mit ihrem Wiederentdecker Albert Freiherr von Thimus seit der Mitte des 19. Jahrhunderts „harmonikal“.


 

Diese pythagoreische Harmonik ist also etwas Anderes als eine Harmonielehre, ob für Musiker oder für wen auch immer. Allerdings kann man zeigen, dass jede Harmonielehre eine Folge der pythagoreischen Harmonik ist – oder wenigstens sein sollte. In einem demnächst beigefügten Vortrag wird gezeigt, wie die pythagoreische Harmonik ganz elementar aus der ganzzahligen Teilung einer Monochord-Saite entsteht und dass die dabei entwickelbaren Strukturen sich in allen bis heute erkannten Ordnungen der Natur – im Mikrokosmos wie im Makrokosmos, in Kristallen, Pflanzen, Tieren und im Menschen wiederfinden lassen, und dass sie ebenso die Elemente jeder Kunst, ob Musik, darstellende Kunst oder Literatur bilden. Schließlich sind sie auch die Elemente aller Kosmogonien und finden sich wieder in der Symbolsprache der alten Mysterienkulte wie auch bei den Werken der Mystiker aller Zeiten und Kulturen. Deshalb sprechen wir von pythagoreischer Harmonik als ein

 

"Schöpferisches Prinzip durch ganzheitliches Denken und Empfindung“